Freitag, 30. März 2012

2. Fotoworkshop - Bildgestaltung an der Leica-Akademie

Letzte Woche fand der Kurs "Bilder sehen - Bilder gestalten" statt. Es waren drei intensive Tage, mit An- und Abreise fünf. Kursort war ausserhalb Wetzlar, das ca. eine Zugstunde von Frankfurt entfernt liegt. Wetzlar ist ein überraschend schmuckes, gemütliches Städtchen mit kompaktem Altstadtkern, Fachwerkhäusern, Dom und Fluss. Es ist auch ein wichtiges Zentrum der Optikindustrie mit bekannten Marken wie Leica, Zeiss und Leitz. Früher hat die halbe Bevölkerung in solchen Firmen gearbeitet, heute nur noch ein Bruchteil davon - das kennen wir ja bereits von einer Menge anderer traditionsreicher Unternehmen in ganz Europa.


Vielleicht lag es am schönen Frühlingswetter, an den ausnahmslos freundlichen Einwohnern oder am allabendlichen Apéro auf der Piazza, der hier Domplatz heisst, aber mir kam Wetzlar fast schon südländisch vor und ich habe mich dort auf Anhieb gut zurechtgefunden und wohlgefühlt. Wetzlar ist übrigens die Stadt, wo Goethes leidenschaftlich-tragischer Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers" entstand.


Die Leica-Akademie liegt in einem idyllischen, alten Gutshof im Grünen. Draussen Natur, Vogelgezwitscher und Ruhe, drinnen sanft renoviertes Kellergewölbe, ausgestattet mit modernster Technik (Apple Macbooks Pro) und Design-Mobiliar (USM Haller) - ganz Leica-Style. Von der Unterkunft über Unterlagen, Material und Verpflegung war alles perfekt organisiert, vom Feinsten und gleichzeitig sehr freundlich und persönlich. Ich habe mich während der ganzen Zeit aufgehoben und wohl gefühlt.
Aber wie war der Kurs?, werde ich gefragt. Ich bin immer noch am Einordnen der vielen Eindrücke und weiss gar nicht recht, wo und wie ich anfangen soll. Er war sicher intensiv, anstrengend, bereichernd, und  ganz anders als der vergangene "Slice of Life"-Workshop. Man könnte eine Gender Study (Geschlechter-Studie) dazu machen. Währenddem mir der "Slice of Life"-Workshop sehr "weiblich" in seiner ganzen Art vorkam, war der Leica-Kurs "typisch männlich". Das begann schon bei den Kursteilnehmern, die, anders als sonst, zum allergrössten Teil Männer waren. Auch der Kursleiter war ein gestandener Mann. Die pädagogisch-didaktische Methode erinnerte mich ein bisschen meine frühe Schulzeit. Das meine ich jetzt überhaupt nicht wertend, es war nur zu Beginn etwas ungewohnt. Der Unterricht war durchstrukturiert, zielorientiert und dicht bepackt mit Informationen. Eine Vorstellungsrunde gab es nicht, dafür wurde gleich die 'Abschlussprüfung' angekündigt. Also nix mit gemeinsamem Fotografieren und gemütlichem Austauschen, sondern da ging's gleich zur Sache.

Am ersten Morgen flog uns zuerst eine geballte Ladung Theorie um die Ohren: Sehgewohnheiten, Figur-Hintergrund-Beziehung, positive und negative Diagonalen, horizontale und vertikale Linien, Wirkung unterschiedlicher Formate, Goldener Schnitt, Symmetrien, Punkte und Dreiecke. Uns wurden klare Regeln präsentiert, die es zu beachten gilt, um zu einem ästhetisch anspruchsvollen Bild zu kommen. Aber es galt auch: "Der Meister darf die Regeln brechen" (allerdings nur der). Das Ziel des Kurses wurde gleich festgelegt: "Mein Bild soll besser werden als das meines Nachbarn." Und natürlich gewisse Ansprüche erfüllen, um die Abschlussarbeit zu erfolgreich zu erfüllen.




Am Nachmittag ging's dann ans Fotografieren. Und "weil Fotografen Individualisten sind", jeder für sich. So irrten wir, jeder auf sich gestellt, ein bisschen hilf- und ziellos durch die Gassen und versuchten das, was wir am Morgen gehört hatten, umzusetzen. Vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehend, kam ich zum Schluss, dass ich mich erst mal beruhigen musste und einfach das fotografieren würde, was ich auch sonst fotografiert hätte, bevor ich mir eine Strategie zulegen wollte, wie ich mich systematisch durch den Regelberg durcharbeiten würde. Dummerweise war, bevor ich auch nur zum Üben einer einzigen Regel kam, die Zeit auch schon um.


Der zweite Tag begann mit einer Runde Bildkritik, die ziemlich direkt vor sich ging. Die Bilder waren klar gut oder schlecht, und ein schlechtes Bild wurde aus pädagogischen Gründen auch mal zerrissen, und das nicht nur im übertragenen Sinn. Jedenfalls lernten wir so, was die Erwartungen waren. Anschliessend folgte der nächste Theorieblock zum Thema Farben und Formen, und dann wurde auch schon die Aufgabestellung für die Abschlussarbeit erklärt: Wir sollten eine Viererserie herstellen zum Thema Farbe und/oder Form, unter Berücksichtigung aller bisher gelernten Merkmale der ästhetischen und emotionalen Bildgestaltung. Hoppla! Und das am zweiten Kurstag bzw. am ersten richtigen, denn der vorherige wäre gemäss Lehrer zum "Ankommen und Entschleunigen" gedacht gewesen.


Nun denn, die Stimmung war gut, die Teilnehmer lockerer und heute würden wir gemeinsam fotografieren gehen. Ich war zuversichtlich. Aber entgegen dem, was ich aus meinen bisherigen Fotoreisen her kannte, ging's gleich im Stechschritt los durch die moderne Vorstadt. Und da ich den Plan mit der Route im Hotel gelassen hatte, musste ich sehr darauf achten, ja den Anschluss an die Leitgruppe nicht zu verlieren. Irgendwie fand ich dann aber auch noch Zeit und Ruhe für ein paar interessante Motive mit Linien, Farben und Formen und hoffte, dass sich daraus eine Viererserie zusammenstellen lassen würde.


Tja, das war dann aber doch nicht so einfach, wie sich am folgenden Tag herausstellte. Drei Fotos brachte ich noch zusammen, aber meist fehlte ein viertes für eine stimmige Serie. Wir waren den ganzen Morgen damit beschäftigt, unsere Fotos auszuwählen und in die vorgesehene Collage-Vorlage zu füllen. Wie üblich konnte ich mich nicht so schnell entscheiden. Mit Müh und Not und Stress und der Hilfe meines Nachbarn und des Kursleiters schaffte ich es dennoch, die drei geforderten Kompositionen abzuliefern. Wobei mir nur die erste wirklich gut gefällt, die anderen zwei waren eher Verlegenheitslösungen. Ich hätte zwar gern noch den Bildausschnitt etwas bearbeitet und die Beleuchtung korrigiert, aber dafür fehlte schlicht die Zeit und dafür kannte ich mich auch mit dem Lightroom-Programm zu wenig bzw. gar nicht aus.

Schattenspiele

Überraschenderweise landete ich damit auf dem glorreichen 3. Platz bei der Schlussbewertung! Allerdings nur knapp und nur dank der "Publikumsstimme". Der Kursleiter hätte wohl lieber ein anderes ausgewählt, liess es dann aber gelten. Dann war der Kurs zu Ende und wir zogen, müde aber glücklich, von dannen.

Schlussfazit: Nach dem anfänglichen leichten Schock habe ich die geballte Ladung an "männlicher Energie" schnell zu schätzen gelernt. Ich habe sehr viel Herzlichkeit, Wärme, Humor, Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Freude und Achtsamkeit seitens meiner Kurskollegen und meines Kursleiters gespürt und erfahren. Es hat mir grossen Spass gemacht, uns allen, glaube ich. Ich habe eine Menge interessanter Menschen getroffen, die ich gerne noch näher kennengelernt hätte. Und als ich am letzten Abend, als alle schon weg waren, meinen wohl verdienten Aperol Spritz alleine auf der Piazza genoss, habe ich die gesamte Truppe vermisst und gedacht: jetzt würde es doch erst richtig losgehen... Das war auch der Abschlusssatz von Olly, unserem Kursleiter, bezogen aufs Fotografische. Ich weiss jetzt, was die Ansprüche an ein ästhetisches Bild sind und welche Kritierien ich mir als Hilfe für die Beurteilung heranziehen kann. Das gilt es jetzt umzusetzen und zu üben. Alles in allem war es ein gelungener Workshop, passend zur Marke Leica: kompromisslos, anspruchsvoll, vielleicht nicht ganz so praktisch, aber stimmig auf der ganzen Linie, maximale Qualität und modernste Technik verpackt in wunderschönem Retro-Design, an das man (und frau) sein (ihr) Herz verlieren kann.

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