Sonntag, 30. September 2012

Miksang-Workshop

Ich war auf der Suche nach einem Workshop, in dem ich lernen würde, diese minimalistischen, meditativen und gleichzeitig ausdrucksstarken Fotos zu machen, die mir so gefallen. Dabei bin ich auf Miksang gestossen und auf die Website von Hèlen A. Vink, die Miksang folgendermassen beschreibt:
Miksang ist ein tibetisches Wort, und bedeutet in der Übersetzung „gutes Auge“.
Die kontemplative Herangehensweise an die Fotografie basiert auf der Lehre über Shambhala und Dharmakunst des Meditationsmeisters, Künstlers und Gelehrten Chögyam Trungpa Rinpoche, speziell auf seiner Lehre über die Kunst der Wahrnehmung. 
Gut bedeutet in diesem Zusammenhang: unserer Geist ist entspannt und offen. Wenn ein ruhiger Geist, ein klarer Blick und ein sanftes Herz zusammenkommen in einem einzelnen Moment, dann manifestiert sich das „gute“ Auge. Wir gestehen uns zu, (mehr) erreichbar zu sein für die Dinge, die uns umgeben. Wenn wir unsere Augen und unseren Geist synchronisieren, lassen wir alle Konzepte und vorgefertigten Ideen los, sind im heutigen Moment, im Jetzt.
Miksang ist also eine Art von visueller Meditation mit Hilfe der Kamera. Im Miksang versuchen wir, die Welt so wahrzunehmen, wie sie ist, bevor unsere Konzepte, unsere Urteile und unsere Gedanken diese ersten visuellen Eindrücke trüben. Bei diesen unvoreingenommenen Wahrnehmungsmomenten verweilen wir und halten diese anschliessend auf Fotos fest. Die Augen und das Herz übernehmen sozusagen die Führung, nicht das Denken.
Das liest sich jetzt alles ziemlich esoterisch und kompliziert, in Wahrheit ist es genial einfach, konkret und praktisch - doch gerade die einfachsten Dinge sind ja oft auch die schwierigsten. Im Wesentlichen ging es im Workshop darum, nicht nach Motiven und "schönen Fotos" zu suchen, sondern entspannt und mit einem offenen Geist durch die Welt zu gehen und darauf zu vertrauen, dass die Motive auf uns zukommen würden. Was dann auch der Fall war. Dann hiess es genau hinschauen und untersuchen, was uns aufgefallen war - und zwar wirklich GANZ genau. Ich höre jetzt noch Hèlens Fragen wie ein Mantra: So what stopped you there? Where does your perception begin and where does it end? Is this also part of your perception or not? (Was hat dich jetzt gestoppt? Wo fängt deine Wahrnehmung an und wo hört sie auf? Gehört das auch dazu oder nicht?) Wir mussten das so lange machen, bis wir unser Motiv ganz klar visuell definiert hatten. Erst danach sollten wir überlegen, wie wir diese Wahrnehmung am besten fotografieren würden (Format, ISO, Blende, Zeit). Und erst ganz am Schluss durften wir die Kamera rausnehmen und das Foto machen. Falls störende Elemente im Weg waren, das Motiv zu weit weg war oder das Licht zu schlecht war, dann hiess es "let go" (vergiss es), im Vertrauen darauf, dass es unendlich viele Wahrnehmungen gibt. Was einfach, ja fast schon banal tönt, war unheimlich schwierig. Es brauchte sehr viel Disziplin, einerseits die Kamera nicht zu früh aus der Tasche zu nehmen und den Auslöser zu betätigen, und anderseits mich tatsächlich nur vom Auge und nicht von meinen Ideen und Gedanken leiten zu lassen. Sobald ich anfing zu überlegen, dass das möglicherweise auch noch interessant wäre, oder dass dies mit drauf auch noch gut aussehen würde, oder dass es aus einem anderen Winkel vielleicht spannender wäre... dann musste ich wieder von vorne anfangen oder "simply let go". Denn unsere Fotos sollten keine Geschichten erzählen, sondern eine frische, direkte, klare Widergabe unserer Wahrnehmung sein. Dann würde es auch beim Betrachter so rüberkommen.
Wenn dem so ist, müsste also bei den ersten vier Fotos unten die Farbe als erstes auffallen, noch bevor man an das Ding denkt, also z.B. rot oder tolle Farbe, und nicht Tankdeckel oder Auto (das rot ist). Bei den nächsten vier Fotos sollte dann als erstes das Muster oder die Reihung ins Auge springen. Und bei den letzten vier sollte als erstes die Textur, die Oberflächenbeschaffenheit, auffallen, ja sie sollte geradezu spürbar sein.



 


 

 




Die anderen Fotos sind im Miksang-Album auf meiner Flickr-Seite.

Köln ist eine gemütliche, lebensfrohe Stadt, wo ich mich bereits am zweiten Tag zu Hause gefühlt habe. Ich habe dort vier spannende, sinnliche, lehrreiche Tage verbracht. Der Kurs war genau das, was ich gesucht hatte, und eine tiefgehende Bereicherung, nicht nur im fotografischen Sinn. Ich habe das Gefühl, mir wurde die Türe zu einem Weg geöffnet, den ich weitergehen möchte, um meine Wahrnehmung und meine Fotografie - und wer weiss, vielleicht auch meinen Geist? - weiterzuentwickeln. Und falls am Ende der Fotokurse noch etwas Geld in meiner Kreativitätsurlaubskasse ist, weiss ich jetzt, wo ich es investieren werde: in Miksang 2!

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