Freitag, 30. März 2012

2. Fotoworkshop - Bildgestaltung an der Leica-Akademie

Letzte Woche fand der Kurs "Bilder sehen - Bilder gestalten" statt. Es waren drei intensive Tage, mit An- und Abreise fünf. Kursort war ausserhalb Wetzlar, das ca. eine Zugstunde von Frankfurt entfernt liegt. Wetzlar ist ein überraschend schmuckes, gemütliches Städtchen mit kompaktem Altstadtkern, Fachwerkhäusern, Dom und Fluss. Es ist auch ein wichtiges Zentrum der Optikindustrie mit bekannten Marken wie Leica, Zeiss und Leitz. Früher hat die halbe Bevölkerung in solchen Firmen gearbeitet, heute nur noch ein Bruchteil davon - das kennen wir ja bereits von einer Menge anderer traditionsreicher Unternehmen in ganz Europa.


Vielleicht lag es am schönen Frühlingswetter, an den ausnahmslos freundlichen Einwohnern oder am allabendlichen Apéro auf der Piazza, der hier Domplatz heisst, aber mir kam Wetzlar fast schon südländisch vor und ich habe mich dort auf Anhieb gut zurechtgefunden und wohlgefühlt. Wetzlar ist übrigens die Stadt, wo Goethes leidenschaftlich-tragischer Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers" entstand.


Die Leica-Akademie liegt in einem idyllischen, alten Gutshof im Grünen. Draussen Natur, Vogelgezwitscher und Ruhe, drinnen sanft renoviertes Kellergewölbe, ausgestattet mit modernster Technik (Apple Macbooks Pro) und Design-Mobiliar (USM Haller) - ganz Leica-Style. Von der Unterkunft über Unterlagen, Material und Verpflegung war alles perfekt organisiert, vom Feinsten und gleichzeitig sehr freundlich und persönlich. Ich habe mich während der ganzen Zeit aufgehoben und wohl gefühlt.
Aber wie war der Kurs?, werde ich gefragt. Ich bin immer noch am Einordnen der vielen Eindrücke und weiss gar nicht recht, wo und wie ich anfangen soll. Er war sicher intensiv, anstrengend, bereichernd, und  ganz anders als der vergangene "Slice of Life"-Workshop. Man könnte eine Gender Study (Geschlechter-Studie) dazu machen. Währenddem mir der "Slice of Life"-Workshop sehr "weiblich" in seiner ganzen Art vorkam, war der Leica-Kurs "typisch männlich". Das begann schon bei den Kursteilnehmern, die, anders als sonst, zum allergrössten Teil Männer waren. Auch der Kursleiter war ein gestandener Mann. Die pädagogisch-didaktische Methode erinnerte mich ein bisschen meine frühe Schulzeit. Das meine ich jetzt überhaupt nicht wertend, es war nur zu Beginn etwas ungewohnt. Der Unterricht war durchstrukturiert, zielorientiert und dicht bepackt mit Informationen. Eine Vorstellungsrunde gab es nicht, dafür wurde gleich die 'Abschlussprüfung' angekündigt. Also nix mit gemeinsamem Fotografieren und gemütlichem Austauschen, sondern da ging's gleich zur Sache.

Am ersten Morgen flog uns zuerst eine geballte Ladung Theorie um die Ohren: Sehgewohnheiten, Figur-Hintergrund-Beziehung, positive und negative Diagonalen, horizontale und vertikale Linien, Wirkung unterschiedlicher Formate, Goldener Schnitt, Symmetrien, Punkte und Dreiecke. Uns wurden klare Regeln präsentiert, die es zu beachten gilt, um zu einem ästhetisch anspruchsvollen Bild zu kommen. Aber es galt auch: "Der Meister darf die Regeln brechen" (allerdings nur der). Das Ziel des Kurses wurde gleich festgelegt: "Mein Bild soll besser werden als das meines Nachbarn." Und natürlich gewisse Ansprüche erfüllen, um die Abschlussarbeit zu erfolgreich zu erfüllen.




Am Nachmittag ging's dann ans Fotografieren. Und "weil Fotografen Individualisten sind", jeder für sich. So irrten wir, jeder auf sich gestellt, ein bisschen hilf- und ziellos durch die Gassen und versuchten das, was wir am Morgen gehört hatten, umzusetzen. Vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehend, kam ich zum Schluss, dass ich mich erst mal beruhigen musste und einfach das fotografieren würde, was ich auch sonst fotografiert hätte, bevor ich mir eine Strategie zulegen wollte, wie ich mich systematisch durch den Regelberg durcharbeiten würde. Dummerweise war, bevor ich auch nur zum Üben einer einzigen Regel kam, die Zeit auch schon um.


Der zweite Tag begann mit einer Runde Bildkritik, die ziemlich direkt vor sich ging. Die Bilder waren klar gut oder schlecht, und ein schlechtes Bild wurde aus pädagogischen Gründen auch mal zerrissen, und das nicht nur im übertragenen Sinn. Jedenfalls lernten wir so, was die Erwartungen waren. Anschliessend folgte der nächste Theorieblock zum Thema Farben und Formen, und dann wurde auch schon die Aufgabestellung für die Abschlussarbeit erklärt: Wir sollten eine Viererserie herstellen zum Thema Farbe und/oder Form, unter Berücksichtigung aller bisher gelernten Merkmale der ästhetischen und emotionalen Bildgestaltung. Hoppla! Und das am zweiten Kurstag bzw. am ersten richtigen, denn der vorherige wäre gemäss Lehrer zum "Ankommen und Entschleunigen" gedacht gewesen.


Nun denn, die Stimmung war gut, die Teilnehmer lockerer und heute würden wir gemeinsam fotografieren gehen. Ich war zuversichtlich. Aber entgegen dem, was ich aus meinen bisherigen Fotoreisen her kannte, ging's gleich im Stechschritt los durch die moderne Vorstadt. Und da ich den Plan mit der Route im Hotel gelassen hatte, musste ich sehr darauf achten, ja den Anschluss an die Leitgruppe nicht zu verlieren. Irgendwie fand ich dann aber auch noch Zeit und Ruhe für ein paar interessante Motive mit Linien, Farben und Formen und hoffte, dass sich daraus eine Viererserie zusammenstellen lassen würde.


Tja, das war dann aber doch nicht so einfach, wie sich am folgenden Tag herausstellte. Drei Fotos brachte ich noch zusammen, aber meist fehlte ein viertes für eine stimmige Serie. Wir waren den ganzen Morgen damit beschäftigt, unsere Fotos auszuwählen und in die vorgesehene Collage-Vorlage zu füllen. Wie üblich konnte ich mich nicht so schnell entscheiden. Mit Müh und Not und Stress und der Hilfe meines Nachbarn und des Kursleiters schaffte ich es dennoch, die drei geforderten Kompositionen abzuliefern. Wobei mir nur die erste wirklich gut gefällt, die anderen zwei waren eher Verlegenheitslösungen. Ich hätte zwar gern noch den Bildausschnitt etwas bearbeitet und die Beleuchtung korrigiert, aber dafür fehlte schlicht die Zeit und dafür kannte ich mich auch mit dem Lightroom-Programm zu wenig bzw. gar nicht aus.

Schattenspiele

Überraschenderweise landete ich damit auf dem glorreichen 3. Platz bei der Schlussbewertung! Allerdings nur knapp und nur dank der "Publikumsstimme". Der Kursleiter hätte wohl lieber ein anderes ausgewählt, liess es dann aber gelten. Dann war der Kurs zu Ende und wir zogen, müde aber glücklich, von dannen.

Schlussfazit: Nach dem anfänglichen leichten Schock habe ich die geballte Ladung an "männlicher Energie" schnell zu schätzen gelernt. Ich habe sehr viel Herzlichkeit, Wärme, Humor, Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Freude und Achtsamkeit seitens meiner Kurskollegen und meines Kursleiters gespürt und erfahren. Es hat mir grossen Spass gemacht, uns allen, glaube ich. Ich habe eine Menge interessanter Menschen getroffen, die ich gerne noch näher kennengelernt hätte. Und als ich am letzten Abend, als alle schon weg waren, meinen wohl verdienten Aperol Spritz alleine auf der Piazza genoss, habe ich die gesamte Truppe vermisst und gedacht: jetzt würde es doch erst richtig losgehen... Das war auch der Abschlusssatz von Olly, unserem Kursleiter, bezogen aufs Fotografische. Ich weiss jetzt, was die Ansprüche an ein ästhetisches Bild sind und welche Kritierien ich mir als Hilfe für die Beurteilung heranziehen kann. Das gilt es jetzt umzusetzen und zu üben. Alles in allem war es ein gelungener Workshop, passend zur Marke Leica: kompromisslos, anspruchsvoll, vielleicht nicht ganz so praktisch, aber stimmig auf der ganzen Linie, maximale Qualität und modernste Technik verpackt in wunderschönem Retro-Design, an das man (und frau) sein (ihr) Herz verlieren kann.

Samstag, 17. März 2012

Auf Wiedersehen!

Mein erster Kurs ist zu Ende, doch da eröffnen sich bereits neue Projekte. Genau, im Plural. Wie bei der Hydra, das schlangenartiges Ungetüm aus der griechischen Mythologie. Schlug man ihr den Kopf ab, wuchsen ihr an der Stelle gleich zwei neue. Bei mir sind es genau genommen drei:

1. Es hat allen so leid getan, dass der "Slice of Life"-Kurs zu Ende ist, dass die Kursleiterin beschlossen hat, ihre brachliegende "Slice of Life Tuesday"-Gruppe auf Flickr zu reaktivieren. Sie wird jeden Dienstag ein Thema vorgeben, zu dem wir fotografieren und uns austauschen können. Da habe ich mich bereits angemeldet.

2. Nächsten Dienstag geht's für meinen ersten "richtigen" Kurs nach Deutschland an die (respekteinflössende) "Leica Akademie". Der Kurs, den ich belegt habe, trägt den (ebenfalls respekteinflössenden) Titel "Bilder sehen - Bilder gestalten. Komponieren und experimentieren". Die Akademie befindet sich ausserhalb Wetzlar, einer kleineren Stadt, die wiederum ausserhalb von Frankfurt liegt. Ich bin gespannt und auch etwas nervös.

3. Dieser Online-Kurs hat mich so begeistert, dass ich gleich nach einer Fortsetzung gesucht habe - ähnlich vom Thema und von der Kursart her. Diese Online-Kurse sind eine super Möglichkeit, um die Zeit zwischen den "richtigen" Kursen zu überbrücken. So bin ich eigentlich ständig am Lernen, Fotografieren, Austauschen und Diskutieren - und das von zu Hause aus, neben der Arbeit und für ganz wenig Geld. Der Kurs, der mich auf Anhieb angesprochen hat, heisst "Photo Meditations" und wird von einer Fotografin aus Grossbritannien angeboten. Er kostet 87 £ (ca. 130 Fr.), dauert 5 Wochen und ist sehr ähnlich aufgebaut wie der "Slice of Life"-Workshop. Es geht auch hier hauptsächlich darum, gefühlsvollere, stimmungsvollere und persönlichere Fotos zu machen. Ich habe mich heute angemeldet, der Kurs beginnt aber erst Mitte April.

Tja, da habe ich mir ja einiges vorgenommen, doch ich freue mich sehr auf alle drei Projekte!

Donnerstag, 15. März 2012

6. Woche "Slice of Life" - putting it all together

Der Workshop ist jetzt vorbei, Zeit für ein Fazit. Es hat mir einen Riesenspass gemacht und ich habe sehr viel gelernt:
  • Ich habe gelernt, mich bei jedem Bild zu fragen "Was ist mir wichtig?" (What matters to me?) und darauf zu fokussieren, sowohl beim Fotografieren (Bildausschnitt, Format, Komposition, Perpektive, Einstellung, Tiefenschärfe u.a.) als auch bei der Bildbearbeitung (Ausschneiden). Das möchte ich unbedingt weiter üben, bis es automatisiert ist.
  • Ich habe gelernt, wie unglaublich wichtig das Licht ist! Und darauf zu achten. Und das beste daraus zu machen. Und auch mal den Blitz (auf niedrigster Stufe) einzusetzen.
  • Ich habe gelernt, Menschen so zu fotografieren, dass man ihr Gesicht nicht sieht. Und wie aussagekräftig Fotos sind, auf denen man z.B. nur Hände oder Füsse sieht. Fast mehr noch als die klassischen Gesichts-Porträts.
  • Ich habe gelernt, dass es mir grossen Spass macht und mich tief berührt, Porträt-Aufnahmen von Menschen zu machen - daran möchte ich noch weiter arbeiten. Zum Beispiel traue ich mich noch nicht, Fremde anzusprechen und zu fragen, ob ich sie fotografieren darf.
  • Ich habe gelernt, unbedingt den "Paparazzi-Modus" (Serienmodus) bei Porträt-Aufnahmen einzusetzen.
  • Ich habe gelernt, dass sich eine ganz offene Blende nicht für Gruppenfotos eignet (Bonus-Lerneffekt)
  • Ich habe ein schönes Selbstporträt gemacht! Und meine tolle Kamera noch mehr schätzen gelernt.
  • Ich habe gelernt, wie spannend Fotos sind, auf denen man nur Details oder einen Ausschnitt sieht, die nicht alles auflösen, sondern viel der Fantasie des Betrachters überlassen. Damit kann man ganze Geschichten erzählen!
  • Ich habe gelernt, dass ich mich gerne mit dem, was ich fotografiere, "synchronisiere". An dieser Stelle möchte ich weiterarbeiten, besonders an der Übung, den entscheidenden Moment zu antizipieren.
  • Ich habe gelernt, Collagen zu erstellen.
  • Ich habe gelernt, Flickr zu benutzen.
  • Und ich habe ein paar neue Ausdrücke auf Englisch gelernt :-)
Im Foto-Kurs ging es nicht um technische Anleitungen, gestalterische Regeln oder Bildkritik. Es ging um Motivation, Schulung von Wahrnehmung und Bewusstsein und um Reflexion. Darüber hinaus ging es allgemein um eine Haltung von Achtsamkeit und Dankbarkeit dem Leben gegenüber. Es ging um die Entdeckung der Schönheit, des Besonderen, der spannenden Geschichten und der Einzigartigkeit in unserem Leben, im Alltag, in unserer Routine, im Unauffälligen und Unscheinbaren. Darrahs Kurs und ihre Fotos vermitteln diese Emotionen und diese Lebenshaltung. Das hat mich sehr angesprochen.
Da es ein Online-Kurs war und die Teilnehmerinnen über dem ganzen Globus verstreut leben, werde ich all diese netten Frauen wohl nie "richtig" kennenlernen. Trotzdem fühle ich mich ihnen verbunden. Dank Flickr und Internet ist ein Gemeinschaftsgefühl und Klassengeist entstanden, obwohl wir uns nie persönlich getroffen haben. Wir haben gesehen, wie und wo wir wohnen, was uns wichtig ist, welche Leute und Haustiere uns umgeben, welche Cafés wir besuchen, wie unsere Routine aussieht, wie wir selber aussehen und wie wir uns fotografisch weiterentwickeln. Wir sind ein kurzes Wegstück zusammen gegangen. Deshalb kann ich mich den Worten einer meiner Klassenkolleginnen nur anschliessen: I'm gonna miss you so much!

Montag, 12. März 2012

5. Woche "Slice of Life" - schon fast vorbei!

Schon die zweitletzte Woche des "Slice of Life"-Workshops - ich werde diesen Kurs vermissen!
Im ersten Teil dieser Woche ging's darum, den besonderen, den "richtigen Moment" zu erwischen. Darrah hat uns dazu zwei Bewusstseins-Übungen (ich nenn das jetzt mal so) aufgegeben. Wir sollten 2 Fotosessions terminieren. Bei der ersten sollten wir einfach drauflosknipsen und möglichst viele Fotos machen. Beim zweiten Mal sollten wir das Gegenteil machen, also zunächst mal die Umgebung aufnehmen, sie auf uns wirken lassen und emotional teilhaben am Ganzen. Dann sollten wir zurücklehnen und beobachten, die Kamera bereithalten, und im richtigen Moment abdrücken. Das Ziel war, ein einziges Foto zu machen. Darrah meint, so könne man üben, besondere Momente (magic moments) vorauszuspüren, anstatt ihnen hinterherzurennen.
Meine persönliche, eher überraschende Erkenntnis dabei war, dass ich mit der zweiten Übung weniger Mühe hatte als mit der ersten. Ich habe realisiert, dass ich mich - je länger je mehr sogar - mit der Umgebung und meinem Motiv "synchronisiere", bevor ich abdrücke. Je mehr ich das tue, desto intensiver sind meine Gefühle der Verbundenheit, der Konzentration, der Freude und der Dankbarkeit, und desto grösser meine Befriedigung. Ich mache das nicht mit einer besonderen Absicht, ich mache das einfach, weil es mir entspricht und weil es mir so mehr Spass macht. Es füllt mich mit positiver Energie. Einfach draufloszuknipsen, ziellos und ohne teilzuhaben - das bereitet mir Schwierigkeiten. Ja, mehr noch: es stresst mich, ich werde ungeduldig, kann mich nicht entscheiden, nerve mich und ich kann regelrecht spüren, wie sich mein negatives Energie-Fässchen ganz schnell füllt. Genau damit habe ich auch an den 45-Minuten-Fototreffen Mühe. Am Schluss bin ich so blockiert, dass ich gar nicht mehr fotografieren kann. Damit will ich wohlverstanden gar nichts über die Qualität der Fotos sagen. 
Darrah meint, es brauche mal das eine und mal das andere. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Filmbeitrag, den ich mal gesehen habe. Es ging um die Eröffnung einer Ausstellung über den Star-Fotografen Michel Comte. Während der gesamten Vernissage, während des Interviews und währenddem er mit Besuchern plauderte, hat Michel Comte ununterbrochen mit einer Kompaktkamera geknipst. Dieses Bild ist bei mir hängengeblieben, wahrscheinlich weil es mich etwas verwirrt und verwundert hat.
Der zweite Teil der Woche war dann mehr dem Gestalterischen gewidmet. Wir sollten mit unseren Fotos Geschichten erzählen. Entweder mit einem einzigen Foto, oder mit einer Fotoserie. Ich liebe Geschichten und versuche eigentlich meistens, meine Fotos irgendwie thematisch zu gruppieren. Es ist sicher kein Zufall, dass ich nach meinen Fotoreisen immer auch ein Fotobuch gemacht habe. Das Geschichten-Erzählen fällt mir also nicht schwer. Was ich allerdings neu gelernt habe, ist, dass besonders Fotos, die offen bleiben, Fragen aufwerfen oder uns verwirren, oft die spannenden Geschichten erzählen. Wie meine Erinnerung an Michel Comte.

eine 1-Foto-Geschichte

weitere sind auf meiner Flickr-Website

Da ich noch nie eine Collage gemacht hatte, war der Zeitpunkt gekommen, die Photoshop-Collagenfunktion kennenzulernen. Ich war überrascht, wie kompliziert und unflexibel da mein Photoshop Elements 8 ist! So mühsam es auch war, irgendwie ging's dann doch. Eine andere Teilnehmerin hat mir Picasa empfohlen, das sei viel einfacher als mit Photoshop. Das habe ich jetzt noch nicht ausprobiert. Doch spannend war's alleweil und wieder habe ich etwas Neues gelernt.

Montag, 5. März 2012

4. Woche "Slice of Life" - Menschen in unserem Leben

Diese Woche war ganz dem Thema Porträt gewidmet. Au weia, dachte ich zu Beginn, das wird schwierig, denn wer lässt sich schon gerne fotografieren? Nicht einmal Fotografen selber, ja sogar mein Kater hasst es! Doch dann wurde es eine tolle Woche, in der nicht nur ich, sondern auch die Fotografierten eine Menge Spass hatten.

Im ersten Teil der Woche ging es darum, "gesichtslose Porträts" zu machen, also Körperteile zu fotografieren, die etwas über den Porträtierten aussagen, aber ohne dass man das Gesicht sieht. Ich habe es zuerst mit Fremden auf der Strasse versucht, weil ich dachte, das sei einfacher. Doch selbst im grössten Trubel und selbst wenn man "nur" auf die Füsse fokussiert, merken die Leute, dass sie fotografiert werden.

Nach dem Fasnachts-Umzug


Seniorin vor der Post
Es war ein glücklicher Zufall, dass mein 1. Fotoauftrag (Fotoserie über den Umzug der Sportdokumentation, siehe Blogeintrag vom Januar) noch nicht abgeschlossen war. Und zufälligerweise - das habe ich allerdings ein wenig gesteuert - fehlten mir noch Porträts von vier Kollegen. Und zufälligerweise - und da konnte ich aber nun wirklich gar nichts dafür - hat die Teamleiterin den Termin fürs Gruppenfoto genau in diese Woche gelegt! Es standen mir also massenweise willige, geduldige und wohlgesinnte Models zur Verfügung, und das sogar während der Arbeitszeit! So bin ich also als erstes zum "Hand"-Porträt meiner Kollegin gekommen:

Wichtig war mir hier: ihre schönen Hände, der Lichteinfall und die typische Arbeitssituation

Im zweiten Teil der Woche ging es um "richtige" Porträts, also mit Gesicht. Dabei sollten wir weiterhin das anwenden, was wir in den vorigen Wochen gelernt hatten: auf das Licht achten, verschiedene Standpunkte einnehmen, verschiedene Brennweiten ausprobieren, auf die Bildkomposition achten. Aber am wichtigsten war auch hier, uns immer wieder die Zauberfrage zu stellen: What matters to me? Was ist mir hier wichtig? Was will  ich zeigen? Was gefällt mir an diesem Menschen besonders? Und das müssen gar nicht unbedingt nur äusserliche Merkmale sein.

Wichtig war mir: seine Konzentration, sein schöner Oberkörper und das typische Arbeitsumfeld

Die Kursleiterin Darrah hat uns eine Reihe von Tipps gegeben, wie wir vorgehen sollen, damit sich die Porträtierten vor der Kamera wohl fühlen. Die habe ich dann gleich bei der Gruppen-Fotosession versucht anzuwenden. Einer der wertvollsten technischen Tipps war, auf Serienmodus zu schalten und ganz viele Aufnahmen zu machen - sie nennt es den "Paparazzi-Modus" :-)). Aber noch wichtiger und beeindruckender war für mich, dass sich meine Einstellung auf die Porträtierten überträgt: Bin ich gehemmt, sind sie es auch, bin ich lustlos, machen sie auch nicht gerne mit. Also habe ich mich bewusst konzentriert, meine Hemmungen abgelegt und das Fotografieren voll genossen. Ich habe die Kollegen angeleitet, habe versucht, sie durch ständige Kommunikation bei der Stange zu halten, habe ihnen meine Freude über die schönen Fotos mitgeteilt und habe versucht, meine Begeisterung rüberzubringen. Und wenn ich gemerkt habe, dass ein Foto unscharf geworden ist, habe ich das für mich behalten und bin positiv geblieben. Es hat mir sooo Spass gemacht! Ich glaube, ihnen auch:.

Ist das nicht eine tolle Gruppe?
Die Fotosession gab mir aber nicht "nur" Spass und einen Schub positiver Energie. Ich fand meine Kollegen plötzlich alle wunderschön! Ich war richtiggehend berührt, gerührt und von Dankbarkeit erfüllt dafür. Nicht dass ich sie vorher hässlich gefunden hätte, aber durchs Fotografieren sah ich plötzlich in jedem von ihnen eine tiefe, ergreifende Schönheit, die mir vorher so nicht bewusst aufgefallen war. Das liest sich jetzt sicher sehr pathetisch und überdreht, aber ich empfand es tatsächlich so.

Die letzte Fotosession war am Samstag mit der Teamleiterin. Wir hatten beide Wochenenddienst, sie am Sportdesk, ich am allgemeinen Desk. Dazu muss ich sagen, dass ich diese Wochenenddienste hasse: kein Mensch da, die ganze Gegend ausgestorben, öd und hässlich, Kunden kommen auch kaum vorbei. So gerne ich sonst alleine auch bin, durch diese Wochenenddienst muss ich mich regelrecht quälen. Es kommt mir vor, als müsse ich mich Minute für Minute durch eine dickflüssige Masse zwängen, bis ich dann endlich völlig ausgelaugt und halb depressiv nach Hause kann und niemanden mehr sehen mag. Aber nicht dieses Mal! Diesmal ist mein Samstagsdienst im Nu verflogen, und ich bin voll motiviert, energiegeladen und beschwingt aus dem Fernsehstudio rausgekommen! Der Unterschied zu sonst war, dass ich, nebst meinen üblichen Abeiten, fotografiert und die Fotos bearbeitet habe. Wenn ich fotografiere oder Fotos bearbeite, versinke ich in dieser Tätigkeit, bin voll konzentriert, gehe ganz darin auf und meine Unsicherheit fällt Stück für Stück von mir ab. Ich spüre Freude, Begeisterung, Spass und eine Welle an positiver Energie, die mich mitreisst und auflädt. Zuerst habe ich die Gruppenfotos von Donnerstag aussortiert und bearbeitet. Kaum fertig, ging's an die Fotosession mit der Teamleiterin. Und anschliessend an die Bearbeitung der letzten Fotos. Da war dann auch gleich Feierabend! So hat mir der Wochenenddienst zum ersten Mal richtig Spass gemacht! Diese Erfahrung hat mir natürlich auch zu denken gegeben. Sollte sich das aber nicht immer so anfühlen, oder zumindest häufiger? Oder ist das zu viel verlangt?

Was mir wichtig war: ihre sinnliche Schönheit, ihre wunderschönen blauen Augen und ihren Power
Zum Schluss der Woche gab's noch die Bonus-Aufgabe: ein Selbstporträt machen. Ich wollte dafür auf meine Lieblingsbank am Waldrand. Wie gut, dass ich mir einen Fernsauslöser gekauft hatte! Aber wie blöd, dass ich ihn zu Hause vergessen habe! Da ich zu faul war, ihn holen zu gehen, habe ich es mit dem Selbstauslöser gemacht. Ich bin also etwa 50 Mal zwischen Kamera und Bank hin und her gerannt, und habe mich noch gewundert, dass so ein ausgeklügeltes technisches Meisterwerk nur gerade mal maximal 10 Sekunden Countdown-Zeit bietet. Bis ich entdeckt habe, dass ich ja bis zu 9 Bildern in Intervallen bis zu 3 Sekunden Intervallen einstellen kann. Kluge Nikon-Entwickler! Die letzten 50 Mal musste ich also nicht mehr so rennen, bis ich mein Selbstporträt im Kasten hatte. 

Tipp gegen schlechte Stimmung und Frühlingsmüdigkeit: Selbstporträt machen mit dem Selbstauslöser!